
Phallomycetidae: Stinkmorcheln Phallus impudicus
Die Gemeinen Stinkmorcheln (Phallus impudicus) zählen ebenfalls zu den Ständerpilzen, in Europa gibt es aus der Ordnung der Stinkmorchelverwandten Phallaceae nur noch eine weitere Art, die Dünenstinkmorchel. Wie der Name schon erahnen lässt, stinken diese Pilze mit der Zeit widerlich nach Aas. Die Gemeine Stinkmorchel ist nicht mit der etwas ähnlichen Speisemorchel verwandt, welche zu den Schlauchpilzen zählen. Das Myzel ist symbiotisch im Boden mit Wurzeln unterschiedlicher Bäume und meist in der Nähe von Totholz verflochten. Aus dem Myzel entwickeln sich unter der Laubschicht oder knapp über dem Boden zuerst kleine, weisse, feste, kugelige Fruchtkörper, welche schliesslich zu 4 bis 5 cm grossen festen Kugeln heran wachsen, welche man als Hexeneier bezeichnet. In diesem Stadium riechen die Fruchtkörper noch neutral und sind auch essbar. Die Hexeneier werden danach zunehmend weicher und verändern auch stellenweise ihre Farbe zu bräunlichgelb. Die anfänglich weisse feste Hülle ( = Peridie) platzt nach weiteren Tagen auf und eine gelbliche bis bernsteinfarbige, gallertige, klebrige Masse wird sichtbar. Je nach Temperatur entwickelt sich der Fruchtkörper schnell weiter, indem die gallertige Masse ebenfalls aufplatzt und die olivgrünliche Sporenmasse ( = Gleba) sichtbar wird. Diese Masse verflüssigt sich zunehmend und riecht widderlich nach Aas. Gleichzeitig verlängert sich der in der Knolle bereits vorgebildete weisse dicke Fruchtkörperstiel ( = Receptaculum) sehr schnell innerhalb von 30-60 Minuten, indem sich das Receptaculum wie ein luftiger Schaumstoff entfaltet und streckt (siehe Bilder unten). Das stark kammrige Receptaculum wächst in dieser Phase nicht durch Zellteilung, sondern durch osmotische Vorgänge (Wasseraufnahme) sehr schnell! Dieser biologische Prozess ist vergleichbar mit der schnellen Entfaltung der Insektenflügeln nach der Verpuppung. Der sporenhaltige olivgrüne, stinkende, glockenförmige Hutteil an der Spitze des Fruchtkörpers (Gleba) ragt danach 10 bis 15cm aus dem Boden und lockt schnell eine Vielzahl von Insekten an, wie diverse Fliegen- und Käferarten. In meinen Beobachtungen konnte ich gleichzeitig 6 verschiedene Fliegenarten, 2 Käferarten und Nacktschnecken am gleichen Pilz bestimmen. Unter guten Bedingungen (Wärme und Feuchtigkeit) wird innerhalb nur eines Tages die gesamte Gleba wegfressen. Die Insekten verbreiten so die Sporen. Der vollständig "abgefressene", nun weisse Pilz ragt dann etwas auffällig krumm aus dem Boden, daraus entwickelte sich der Trivialname "Leichenfinger"! Die Stinkmorchel mit ihrer Phallus-artigen Form wird seit hunderten von Jahren in der europäischen Naturheilkunde und der chinesischen Medizin als Vitalpilz verarbeitet. Der Stinkmorchel werden entzündungshemmende und sogar krebsheilende Eigenschaften nachgesagt. Ob die ebenfalls erwähnte Potenzstärkung der Stinkmorchel (Aphrodisiakum) auch zutrifft, sei dahin gestellt! Einige Inhaltsstoffe wurden bereits im 18.Jahrhundert erstmals durch den berühmten deutschen Naturforscher und Pfarrer Jakob Christian Schaeffer (1760) untersucht.
Der aussergewöhnliche Pilz wurde von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie DGfM zum Pilz des Jahres 2020 erkoren.

Phallus impudicus, mit Myzel im Boden verbunden

Phallus impudicus, in fester Hülle

Phallus impudicus, in fester Hülle

Phallus impudicus, die Hülle platzt auf, die gelbe gallertige Masse wird sichtbar

Phallus impudicus, die Hülle platzt auf, die gelbe gallertige Masse wird sichtbar

Phallus impudicus, am 27.September 2020

Phallus impudicus, gleiches "Ei" 16 Tage später am 12.Oktober 2020

Phallus impudicus, der Pilz wächst schnell aus einer gallertig überzogenen Knolle

Phallus impudicus, das Hexenei ist 5cm im ø

Phallus impudicus, die Kugel "wächst", die Hülle rutscht auf die Seiten

Phallus impudicus, nach 10 Tagen platzte die Gallerthülle und die grüne stinkende Sporenmasse = Gleba wurde freigesetzt!

Phallus impudicus, nach 10 Tagen platzte die Gallerthülle und die grüne stinkende Sporenmasse = Gleba wurde freigesetzt!

Phallus impudicus, 1 Tag später spriesst der Pilz aus der Knolle, der besteht aus der olivgrünen Gleba

Phallus impudicus, 1 Tag später spriesst der Pilz aus der Knolle

sofort werden Insekten angelockt und fressen die grüne Masse weg

Phallus impudicus, Schnittfläche eines "jungen" Hexeneies, sichtbar sind die gallertige gelbe und grüne Masse unter der Kapsel, sowie der weisse Fruchtkörperstiel = Receptaculum

Phallus impudicus, Schnittfläche eines "alten" Hexeneies, sofort nach dem Schnitt entfaltet sich der Schaumstoff-artige weisse Fruchtkörper

Phallus impudicus, Schnittfläche eines "alten" Hexeneies, 4 Minuten später hat sich der Fruchtkörper bereits in der Länge verdoppelt!

Phallus impudicus, Schnittfläche eines "alten" Hexeneies, 30min später ist der Fruchtkörper auf 10cm "gewachsen" = entfaltet!

Phallus impudicus, junger aufgesprossener Fruchtkörper

Phallus impudicus, junger aufgesprossener Fruchtkörper

Phallus impudicus, Phallus impudicus, der Pilz wächst schnell aus einer gallertig überzogenen Knolle

gleicher Pilz 5h später 2.5cm gewachsen!

gleicher Pilz 22h später, nochmals 3cm gewachsen und bereits die gesamte Sporenmasse abgefressen, dieses Studium wird auch "Leichenfinger" genannt!

Phallus impudicus, Stinkmorchelverwandte Phallaceae, mit stinkendem klebrigen olivgrüner Sporenschicht =Gleba als Hut, Länge: 14cm

Phallus impudicus, Stinkmorchelverwandte Phallaceae, mit stinkendem klebrigen olivgrüner Sporenschicht =Gleba als Hut, Länge: 14cm

Phallus impudicus, Stinkmorchelverwandte, viele Insekten werden vom üblem Sporenschichtgeruch = Gleba angezogen, fressen davon und verteilen dadurch die Pilzsporen!

Phallus impudicus, die Gelba verflüssigt sich zunehmend

Phallus impudicus, Stinkmorchelverwandte, viele Insekten werden vom üblem Sporenschichtgeruch = Gleba angezogen, fressen davon und verteilen dadurch die Pilzsporen!

Phallus impudicus, Stinkmorchelverwandte Phallaceae, 9 h später ist der Pilz massiv gewachsen, nun 20cm, die Gleba am Hut wird durch Insekten weggefressen und die Sporen werden dadurch verbreitet!

Phallus impudicus, Stinkmorchelverwandte Phallaceae, 1 Tag später, Pilz "zerfliesst"!

Phallus impudicus, Stinkmorchelverwandte Phallaceae, der starke Geruch nach Aas lockt Fliegen an.

Phallus impudicus, Stinkmorchelverwandte Phallaceae, der starke Geruch nach Aas lockt Fliegen an.

Phallus impudicus, innerhalb weniger Tage fressen Insekten die stinkende Sporenschicht weg

Phallus impudicus, alter Pilz zerfällt

Phallus impudicus, Stinkmorchelverwandte, weitgehend abgefressene Sporenschicht, dieses Stadium nennt man auch "Leichenfinger"!

Phallus impudicus, 2 Fruchtkörper direkt nebeneinander

Phallus impudicus, auch Ameisen fressen von der zerfallenden stinkenden Gleba